Gefahrstoffkataster: Die 6 häufigsten Fehler bei der Erstellung und Pflege
Die Führung eines Gefahrstoffkatasters ist eine wesentliche Pflicht beim Umgang mit Gefahrstoffen. Es dient nicht nur als Informationsgrundlage für Gefährdungsbeurteilungen und Betriebsanweisungen sondern auch als Nachweis zur Einhaltung von Verboten (Stoffverbote, Beschränkungen). Außerdem kann mit einem Gefahrstoffkataster die Einschlägigkeit bzw. Nicht-Einschlägigkeit rechtlicher Verpflichtungen (z.B. bezogen auf krebserzeugende Stoffe, Gültigkeit der Störfall-Verordnung, Einstufung von Anlagen als überwachungsbedürftig) belegt werden.
Als Dienstleister wurden uns schon so manche Gefahrstoffkataster zugesandt. Nur sehr wenige haben uns zu der Aussage gebracht „da gibt es nichts zu meckern“. Tatsächlich triff das Prädikat „mangelhaft“ auf die meisten Gefahrstoffkataster zu, die uns erreichten. Nachfolgend beschreiben wir die häufigsten Fehler.
Fehlende Einstufung
Die Einstufung in Gefahrenklassen/-kategorien wird nahezu immer ignoriert bzw. schlichtweg nicht als „Spalte“ vorgesehen. Zugegeben, die Gefahrenklassen sind sperrig deklariert und die Kategorien vielfältig (je nach Klasse unterschiedlich). Zudem werden sie in verschiedenen Quellen unterschiedlich angegeben, was das Ganze schwer lesbar macht und eine „Transferleistung“ in die eigene, einheitliche Dokumentation notwendig ist.
Ohne die nachweisbare Kenntnis der Einstufung fehlt es aber an Substanz – eben an diese Einstufung können rechtliche Anforderungen verknüpft sein (z.B. dem Führen von Expositionsverzeichnissen, zusätzliche arbeitsmedizinische Vorsorge etc.). Es genügt nicht sich hierbei auf die H-Sätze zu berufen – wenn sich ein Gesetz auf eine Gefahrenklasse und dazugehörige Kategorien bezieht.
Fehlende Angaben zu Einsatz-/Lagerbereichen und zur Verwendung
Ohne das Wissen wo Gefahrstoffe eingesetzt bzw. gelagert werden, können folgende Rechtspflichten nicht eingehalten werden:
- Erstellung von spezifischen Anlagenkatastern, z.B. nach AwSV für wassergefährdende Stoffe oder für Kältemittel zur Ermittlung der Prüfpflichten (Abstände von Dichtheitskontrollen)
- Einhaltung von Prüfpflichten (z.B. für Druckanlagen nach BetrSichV; weitere Sachverständigenprüfungen, die am Gefährdungspotenzial von Anlagen gekoppelt sind)
- Einhaltung von Zusammenlagerungsverboten
- Einhaltung von Verwendungsbeschränkungen/Verboten
Unternehmen, die nicht wissen wer für was Gefahrstoffe einsetzt unterliegen damit hohen Compliance-Risiken. Mit dem Wissen wo Gefahrstoffe eingesetzt werden lassen sich in der Regel auch Betriebsverantwortliche/Betriebsleiter identifizieren. Wir empfehlen, dass diese Verantwortlichen ihre Verwendungen zum jeweiligen Gefahrstoff angeben und selbst unterschriftlich bestätigen, dass sie geprüft haben, dass diese Verwendungen gemäß Sicherheitsdatenblatt nicht verboten sind.
Fehlende Mengenangaben
Mengenangaben werden in der Regel nicht im Gefahrstoffkataster gemacht. Eigentlich logisch, wenn zuvor keine Einsatz- und Lagerbereiche beschrieben wurden. Woher soll man diese Angaben auch nehmen – und welche Annahmen sind dabei zu treffen (eine tagesaktuelle Pflege wird man nicht bewerkstelligen können und macht auch keinen Sinn; vielleicht aber die Überlegung, welche Mengen maximal gehandhabt werden könnten?).
Es ergeben sich die gleichen Risiken wie bei den beiden Fehlern zuvor, denn Verpflichtungen sind oftmals mit Überschreitung von gesetzlichen Mengenschwellen bindend. Verfehlungen, die in der Praxis durchaus vorkommen sind:
- Überwachungsbedürftige Anlagen werden als solche nicht erkannt
- Gefährdungsstufen von AwSV-Anlagen werden falsch oder gar nicht erst ermittelt
- Beschaffenheitsanforderungen und Prüfpflichten werden nicht eingehalten.
Uneindeutige Inhaltsstoffe
Inhaltsstoffe werden – interessanterweise – meist berücksichtigt und angegeben. Nur leider nicht eindeutig. Oftmals werden die Angaben mit denen des eigentlichen Gefahrstoffs vermischt, so dass beispielsweise nicht kenntlich ist, ob eine CAS-Nr. nun zum Inhaltsstoff gehört oder zum Hauptstoff. In einem „kuriosen“ Beispiel wurden für alle Inhaltsstoffe die H- und P-Sätze angegeben – aber nicht die des eigentlichen Gefahrstoffs.
Eine saubere Aufschlüsselung der Inhaltsstoffe und deren Anteil am eigentlichen Gefahrstoff kann folgende Zwecke erfüllen:
- auf Basis sauberer Daten eines Inhaltsstoffs lässt sich ein „Datensatz“ eines Gefahrstoffs aufbauen
- Stoffverbote und -beschränkungen von Inhaltsstoffen können Anlass für eine frühzeitige/erneute Substitutionsprüfung geben
- Sicherheitsdatenblatt-Plausibilitätsprüfung
Die Anzahl an Stoffen, die ein Gefahrstoffkataster führt, ergibt sich also aus der Summe der Arbeits-/Gefahrstoffe + deren Inhaltsstoffe.
Fehlende Verknüpfung zu Gefährdungsbeurteilungen
Zu jedem Gefahrstoff muss am Ende des Tages mindestens eine Gefährdungsbeurteilung (je Einsatzbereich) vorhanden sein. Wieso enthält dann kein Gefahrstoffkataster, was uns bisher erreichte, ob und welche Gefährdungsbeurteilungen zum jeweiligen Gefahrstoff vorliegen?
Aus der spezifischen Gefährdungsbeurteilung ergibt sich dann die Betriebsanweisung. In der Praxis werden hier leider oft Abkürzungen gesucht. Oftmals besteht der Wunsch direkt aus dem Gefahrstoffkataster heraus Betriebsanweisungen zu erstellen. Das ist prinzipiell ein Verstoß gegen die Pflicht zur Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen und zur Unterweisung von Mitarbeitern anhand von Betriebsanweisungen. In Gefährdungsbeurteilungen müssen
- individuelle Betriebsbedingungen (Lüftung, Einsatzmengen, PSA etc.) [Teilnahme: betriebszugehörige Mitarbeiter]
- arbeitsmedizinische Aspekte (Expositionswege) [Teilnahme: Betriebsarzt] und
- die Informationen zum jeweiligen Gefahrstoff (Kataster, SDB, Lieferantenangaben etc.) [Teilnahme: Fachkraft]
zusammengetragen und dahingehend bewertet werden, ob die vorhandenen Schutzmaßnahmen ausreichend sind, die möglichen Gefährdungen zu minimieren. Erst auf Basis individueller Gefährdungsbeurteilungen können dann konforme Betriebsanweisungen erstellt werden (und anhand dessen die Mitarbeiter unterwiesen werden).
Meinung: Gefahrstoffkataster werden als Excel-Tabelle geführt
Dieser „Fehler“ ist eher als persönliche Meinung zu verstehen. Formell können vollständig korrekte Gefahrstoffkataster als Excel-Tabelle geführt werden. Nur zu welchem Preis? Der Preis ist ein unwirtschaftliches und unsicheres Handeln, denn
- ein(!) Mitarbeiter wird sehr viel Zeit und Aufwand (vergleichbar mit der Programmierung einer Software, da auch hier ein „Daten-“ bzw. Darstellungsmodell ausgeklügelt werden muss) reinstecken – in einer(!) Tätigkeit, die vermutlich so nicht in seiner Stellenbeschreibung beschrieben ist
- die Involvierung von Kollegen in die Pflege und dem Arbeiten mit einem solchen Kataster findet so gut wie gar nicht statt
- verlässt der Mitarbeiter, der das Kataster erstellt hat, das Unternehmen, ist die Gefahr groß, dass Nachfolger das Eigenbau-Gefahrstoffkataster nicht akzeptieren (und eher ein eigenes bauen…;-)) – noch schlimmer sind selbst gestrickte und ausufernde Access-Datenbanken – mit denen wollen jüngere Kollegen meist nichts zu tun haben (verständlicherweise)
- die Zeit für die Erstellung der xls-Struktur fehlt für Gefährdungsbeurteilungen bzw. dem Erkenntnisgewinn aus den Daten (kein übergeordneter Blick mehr)
Übrigens: SDB-Management läuft
Ausnahmsweise zum Schluss (und nicht am Anfang) das Positive: Nahezu alle Gefahrstoffkataster haben ein ausgeklügeltes Sicherheitsdatenblatt-Management integriert. In der Regel über Verknüpfungen kann auf eine umfangreiche Historie von Sicherheitsdatenblättern zurückgegriffen werden. Mit dem einhergehend sind stets auch die jeweiligen (möglichen) Lieferanten eines Gefahrstoffes sauber gepflegt. Außerdem sind überwiegend auch interne Freigabeprozesse etabliert, so dass Gefahrstoffe auf „nicht aktiv“ bzw. „nicht freigegeben“ gesetzt werden können.